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[KURZGESCHICHTE] Die Legende der Wolkenstadt

Im Rahmen der Kurzgeschichtenchallenge von Ann-Kathrin Karschnick ist eine neue Geschichte von mir entstanden. Inspirationsquelle war diesmal ein 1001-Nacht mäßiges Bild über eine Stadt in den Wolken. Dies habe ich daraus gemacht:

Die Legende der Wolkenstadt

Es war wieder einmal ein langer Tag in der Firma für Luftfahrtforschung gewesen. Darius rauchte der Kopf. Irgendwie hatte er sich den Job spannender vorgestellt. Immer nur am Schreibtisch über Berechnungen sitzen, das war nichts für ihn. Als Kind hatte er davon geträumt, wie er als Luftfahrtsingenieur bahnbrechende Erfindungen machen und als gefeierter Held von Planet zu Planet jetten würde. Ein Schreibtischjob kam in seinen Träumen damals nicht vor. Er seufzte.
„Na, wieder zu viel Theorie für dich?“ Connor, sein Kollege und bester Freund, sah ihn an. „Komm, lass uns noch etwas trinken gehen.“
Sie standen auf und gingen in ihre Stammkneipe. Im Materiana bestellten sie sich ein Bier. Darius seufzte erneut.“ Möchtest du nicht auch manchmal Abenteuer erleben? Die Prinzessin aus den Klauen des Drachens befreien?“ „Träumst du etwa immer noch davon, die Wolkenstadt zu suchen und Elaria zu retten?“ Darius nickte ertappt. „Du weißt schon, dass es nur eine Sage ist? Es gibt keine Wolkenstadt und selbst wenn, es gibt keine Prinzessin, die dort im Turm vom bösen König festgehalten wird und die nur auf den mutigen Ritter wartet. Das ist Quatsch, das ist eine Geschichte für Kinder!“
„Und wenn doch mehr dran ist? Denk an Torben Tramaldis, an Hayden Hilarus, an Nolan Nocturnus, sie alle waren überzeugt von ihrer Existenz!“ „Und sie alle kamen nie wieder zurück!“
„Das beweist gar nichts!“ Plötzlich straffte Darius seine Schultern. „Nächste Woche habe ich Urlaub, da mache ich mich auf den Weg. Ich werde dir beweisen, dass es die Stadt in den Wolken gibt! Ich, Darius Darikée, ich werde Elaria retten!“

„Du ziehst das wirklich durch?“ Connor versuchte ein letztes Mal, seinen Freund umzustimmen. Doch dieser strahlte ihn einfach nur an, packte sein Gepäck in sein kleines Fluggefährt und klopfte Connor noch einmal auf den Rücken. „Ich bin bald wieder da. Zusammen mit einer wunderschönen Prinzessin! Du wirst schon sehen.“ Mit diesen Worten drehte sich Darius um und stieg in sein Raumschiff. Ein letztes Winken, dann war er unterwegs, quer durch den Weltraum, weg vom Mars. Er hatte die letzten Tage damit zugebracht, alles zur Wolkenstadt zu lesen, das er finden konnte. Eine ungefähre Ahnung, in welche Richtung er musste, hatte er also. Und dank seines Jobs in der Luftfahrttechnik war seine Raumkapsel eine der modernsten, die es gab. Sie kam sogar fast ohne Treibstoff aus. Er war fest entschlossen, die Wolkenstadt zu finden, und wenn er die ganze Milchstraße absuchen musste!

Tatsächlich tat er das auch. Tagelang irrte er durch die Galaxie, kam an verschiedenen Planeten vorbei, aber die Wolkenstadt fand er nicht. Wenn sich das nicht bald änderte, musste er irgendwo landen und neuen Proviant besorgen. Er hätte echt gedacht, dass er die geheimnisvolle Stadt früher fand. Irgendwo in der Nähe musste sie doch sein!
Abgelenkt von seinen Gedanken passte er nicht wirklich auf, wo er hinflog. Plötzlich gab es einen Knall. Sein Raumschiff zerschellte. Darius fing an zu fallen.
Entsetzt schrie er auf. Er ruderte mit den Armen, versuchte sich festzuhalten. Aber um ihn herum war nichts. Woran auch immer die Raumkapsel zerschellt war, zu sehen war absolut nichts. Also konnte Darius auch nichts tun, um seinen Sturz aufzuhalten. Er konnte nur hoffen.

Innerlich hatte er mit dem Leben abgeschlossen, als er plötzlich unsanft aufschlug. Etwas benommen sah er sich um. Er lag am Rand einer Holzplattform. In der Ferne sah er einige Häuser, ansonsten nur Wolken. Moment, Wolken? Konnte das sein? War er wirklich an seinem Ziel? Adrenalin durchströmte ihn. Er hatte sie gefunden. Die Wolkenstadt!
Vorsichtig sah er sich um. Hatte ihn jemand entdeckt? Doch niemand schien in der Nähe zu sein.
Er beschloss, die Stadt zu erkunden.

Auf der Plattform, auf der er sich befand, standen nur ein paar Häuser. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Bewohnt waren die Häuser aber definitiv, in den Gärten hingen Wäscheleinen mit bunter Kleidung. Darius sah an sich herunter. Er trug, wie eigentlich immer, schwarz. Damit würde er hier wohl ziemlich auffallen. Alles auf den Leinen war kunterbunt. Es widerstrebte ihm etwas, aber wenn er die Prinzessin retten wollte, musste er unauffällig agieren. Also bediente er sich an den Wäscheleinen und kleidete sich mit einem bunten Mantel und einem Turban. Jetzt musste er nur noch schauen, wie er von der Plattform weg kam. Wie bewegten sich die Leute hier? Kaum dachte er darüber nach, da sah er etwas in seine Richtung fliegen. Schnell versteckte er sich im Schatten eines Hauses. War das…? Tatsächlich, da kam ein fliegender Teppich auf ihn zu. Die Frau, die darauf saß, stieg ab und legte den Teppich zu einer Reihe anderer in den Schuppen. Teppiche also. Als die Frau im Haus verschwunden war, schlich er sich in den Schuppen und nahm sich einen der bunten Bodenbeläge. Vorsichtig ging er zum Rand der Plattform und versuchte, mit dem Teppich abzuheben. Es dauerte etwas, bis er heraushatte, an welchen Ecken man wie ziehen musste, um sich fortzubewegen. Aber dann schoss er durch die Lüfte und juchzte leise. Das machte Spaß! Beinahe vergaß er, warum er da war. Aber er musste die Prinzessin retten. Ob der Teppich sie beide bis zum Mars tragen könnte? Nun, da würde er drüber nachdenken, wenn es so weit war. Erst einmal musste er Elaria finden.

Er landete auf der Plattform, die am größten erschien. Hier war einiges los. Mit dem eingerollten Teppich unter dem Arm mischte er sich unter die Bewohner und versuchte nicht aufzufallen. Alles kam ihm ganz normal vor, sie alle schienen keine Angst zu haben. Fürchteten sie gar nicht den bösen König? Darius belauschte so viele Gespräche wie möglich. Als er gerade überlegte, ob er doch selbst eine Unterhaltung mit einem Händler auf dem Markt anfangen sollte, um mehr herauszufinden, hörte er plötzlich Gesang. Ganz wunderbaren Gesang. Wie ferngesteuert bewegte er sich darauf zu. Der Weg führte ihn in die Mitte der Plattform. Vorbei an Wolkenbergen und wunderschönen Häusern, für die er keine Augen hatte. Vor einer großen Mauer blieb er stehen. Der Gesang musste hierher kommen, aus dem Schloss. War das etwa die gefangene Prinzessin? War es ein Hilferuf? Ein verzweifeltes trauriges Lied?
Darius setzte sich wieder auf den Teppich, um zum Turm zu fliegen. Doch so einfach ging das nicht, eine unsichtbare Mauer hielt ihn auf. Eigentlich war das zu erwarten gewesen. Die Prinzessin war hier gefangen, wie hatte er glauben können, einfach zu ihr fliegen zu können? Aber er würde einen Weg finden und dann würde er es Connor und allen anderen beweisen. Elaria war keine Legende. Es gab sie wirklich und er würde sie befreien!

Den Rest des Tages schlenderte er durch die Stadt und beobachtete dabei den Palast. Vor dem Eingang standen zwei Wachen. Besonders aufmerksam waren sie aber nicht. Da gab es bestimmt Möglichkeiten, zusammen mit irgendwelchen Händlern, die den Innenhof immer wieder betraten, hereinzukommen.
Als der Hunger zu stark wurde, stahl er sich Essen von einem Marktstand, nachts flog er mit dem Teppich auf eine scheinbar unbewohnte Plattform und versuchte zu schlafen. Tatsächlich wälzte er sich aber recht schlaflos herum. Seine Gedanken kreisten immer wieder um den nächsten Tag, den Tag, der sein Leben verändern würde, den Tag, an dem er die Prinzessin befreien würde.

Am nächsten Morgen zupfte er seinen bunten Mantel zurecht, setzte den Turban wieder auf und flog zur Hauptplattform. Jetzt kam es darauf an, den richtigen Moment abzuwarten.

Es dauerte bis zum späten Nachmittag, bis er in das Schloss kam. Den ganzen Morgen über gingen nur einzelne Personen hinein, aber dann kam eine bunte Truppe an Händlern und Gauklern. Unbemerkt huschte er auf den Schlosshof und versteckte sich im Schatten eines Stalls. Er beobachtete den Eingang des Gebäudes. Dieser wurde gut bewacht, aber schnell merkte Darius, dass einige Fenster offen standen. Die Wachen der Wolkenstadt waren ziemlich nachlässig.
Eigentlich wollte er warten, bis es richtig dunkel war. Aber in der Dämmerung fing der Gesang wieder an. „Ich komme dich retten, Elaria!“ Entschlossen sprang Darius auf und setzte sich auf den Teppich. Er wurde wie magisch angezogen von dem Gesang, sein fliegender Teppich steuerte wie von selbst ein offenes Fenster in dem Turm an, in dem Elaria gefangen gehalten wurde.
Er flog hindurch, versteckte seinen Teppich in einer Nische und schlich die Treppe hoch.
Auf dem ganzen Weg begegnete er niemandem und oben angekommen steckte der Schlüssel außen an der Tür. Kurz kam Darius der Gedanke, dass alles etwas zu glatt lief. Aber dann begann Elaria wieder zu singen und wie ferngesteuert öffnete er die Tür.
Er betrat den Raum und sah die Frau seiner Träume vor sich. Elaria war wunderschön. Ihr blondes Haar fiel ihr bis auf die Hüften und es glänzte wie Gold. Sie saß mit dem Rücken zur Tür, schaute aus dem Fenster, während sie sang. Dann drehte sie sich langsam um und blickte Darius in die Augen.
„Hallo, wer bist du denn?“
„Ich, äh, D.. D…Darius“, stammelte er.
„Komm doch näher“, verführerisch warf die Prinzessin die Haare über ihre Schulter.
Vorsichtig trat der Abenteurer einen Schritt auf sie zu. Sie war noch schöner, als in den Legenden berichtet wurde.
Zaghaft streckte er eine Hand nach ihr aus. „Kommt mit mir, ich rette euch vor eurem Vater!“
Den einen Moment lächelte Elaria ihn noch freundlich an, im nächsten Moment wurden ihre Gesichtszüge plötzlich hart und kalt. Sie sah zur offenen Tür, die in einen Nebenraum führte und rief: „Erik, Finn, ergreift ihn! Sperrt ihn zu den anderen. Er wird gute Dienste in den Minen tun!“ Dann wandte Elaria sich wieder dem Fenster zu und begann erneut mit ihrem sirenenhaften Gesang.

2 Kommentare

  1. Jetzt habe ich es endlich geschafft 👍😁
    Danke für diese wundervolle Idee. Als Leser hätte ich mir hier und da etwas mehr von der Geschichte und der Welt gewünscht. Sie ist sehr schön geschrieben und das Ende überraschend und abrupt, man wird buchstäblich aus einem Traum gerissen…der arme Darius…ich hoffe wir erfahren irgendwann einmal wie es weitergeht und auch an sich mehr über die Wolkenstadt und was es mit dieser Prinzessin auf sich hat.

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